Emotionale Intelligenz trainieren: 6 Praxistipps für Kinder und Eltern

Emotionen begleiten uns ein Leben lang. Und selbst im Erwachsenenalter fällt es oft noch schwer, sie immer richtig einzuordnen und auszudrücken. Menschen, die das besonders gut können, gelten als emotional intelligent: Emotionale Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, sowohl die eigenen Gefühle als auch die Gefühle anderer wahrzunehmen, sie zu verstehen und bewusst damit umzugehen. Mitgefühl, Selbstwahrnehmung, Selbstregulation und die Fähigkeit, Beziehungen einfühlsam zu gestalten, sind hierfür die “Soft Skills”.

Doch während viele Erwachsene verlernt haben, ihre Gefühle ungefiltert zu zeigen oder Emotionen sogar unterdrücken, sind Kinder darin erstaunlich direkt: Sie erleben Freude, Ärger, Angst oder Trauer noch ganz unverfälscht. Diese Unbefangenheit ist ein riesiger Schatz, den wir stärken und erhalten müssen. Allerdings fehlen Kindern oft die passenden Worte und das Verständnis für das, was in ihnen vorgeht. Gefühle sprudeln einfach heraus, ohne dass sie ihre Ursachen benennen oder einordnen können. Zahlreiche Studien belegen: Kinder, die früh lernen, Gefühle zu benennen, sie zuzulassen und damit umzugehen, sind im ganzen Leben resilienter, entwickeln mehr Selbstvertrauen, sind empathischer und können sogar leichter Freundschaften schließen. [1] 

Die Gefühle offenbaren sich um so weniger, je tiefer sie sind. - Honoré de Balzac

Wie emotionale Intelligenz schon bei den Kleinsten gefördert werden kann, liest du hier.

Tipp 1: Gemeinsame Entspannungsübungen

Lege dich zusammen mit deinem Kind auf den Rücken – am besten auf einen weichen Untergrund. Jetzt legt ihr ein Spielzeug oder einen besonders schönen Stein auf die Brust und atmet gemeinsam tief ein und aus. Bei jedem Atemzug hebt und senkt sich der Gegenstand langsam – wie auf einer kleinen Wellenfahrt. Konzentriert euch nur darauf. So machen Kinder das Atmen sicht- und spürbar, der Fokus wandert automatisch weg von Stress oder Ärger. Die Übung hilft, die Gedanken zu sortieren, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln und ein Gespür für Achtsamkeit zu bekommen. Währenddessen könnt ihr auch leise über Erlebtes sprechen und welche Gefühle dabei gefühlt wurden.

Tipp 2: Emotionale Intelligenz stärken mit dem 6-Minuten-Tagebuch für Kinder

Vielleicht kennst du es ja schon: Unser 6-Minuten-Tagebuch für Kinder wurde entwickelt, um Kinder im Alltag beim Entdecken und Verstehen ihrer Gefühle zu begleiten. Im Tagebuch wechseln sich tägliche Reflexionsfragen, lehrreiche Kurzgeschichten und lustige Übungen ab. So lernen Kinder spielerisch, auf ihre Gefühle zu achten, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich selbst und die Gefühle anderer besser zu verstehen. Ganz ohne Druck, dafür mit jeder Menge Spaß liefert das Buch auch schöne Anknüpfungspunkte für Gespräche in der Familie. So lernt ihr euch jeden Tag ein bisschen besser kennen. 

Emotionale Intelligenz

Tipp 3: Gefühle einordnen mit den 6-Minuten Gefühlskarten 

Big News aus dem 6-Minuten Verlag: Die Gefühlskarten bieten eine tolle Ergänzung zum 6-Minuten Tagebuch für Kinder, funktionieren aber auch wunderbar eigenständig. Man kann damit Gegensätze-Memory spielen, Geschichten erzählen, Gespräche beginnen oder sich eigene Möglichkeiten zur Nutzung ausdenken. Die Karten helfen Kindern, die ganze Bandbreite an Emotionen besser kennenzulernen. Die süßen Illustrationen zeigen, dass alle Gefühle irgendwie, irgendwo, irgendwann mal dazugehören und ordnen sie typischen Situationen zu. Ganz nebenbei wird erlernt, eigene Empfindungen besser zu verstehen und die Gefühle anderer wahrzunehmen. Das macht empathisch, mutig und offen und ist ein wichtiger Baustein für emotionale Intelligenz. 

Gefühle lernen, Emotionale Intelligenz

Tipp 4: Emotionen visualisieren mit einem Stimmungsbarometer

Kinder können oft leichter über Gefühle sprechen, wenn sie eine anschauliche Hilfestellung bekommen. Ein einfaches "Stimmungsbarometer" (zum Beispiel als gemaltes Thermometer aus Pappe an der Wand, mit verschiedenen Emotionen aufgemalt) lädt dazu ein, täglich die eigene Stimmung einzuordnen. Jedes Familienmitglied kann eine Wäscheklammer mit dem Namen drauf an die passende Gefühlszone setzen. Man sieht sofort, wie die Stimmung in der Familie gerade ist und erkennt, wenn jemand vielleicht einen schlechten Tag hatte. Das hilft, Missverständnisse zu vermeiden, Gespräche sensibler zu führen und Streit schon zu deeskalieren, bevor er überhaupt entsteht. So wird die emotionale Atmosphäre im Familienalltag bewusster und respektvoller gestaltet.

Tipp 5: Perspektivwechsel Rollenspiel: „Wie fühlt sich das wohl an?“

Empathie ist ein wichtiger Bestandteil emotionaler Intelligenz. Diese Übung könnt ihr regelmäßig im Alltag anwenden, wenn zwischenmenschliche Emotionen im Raum stehen: Wenn dein Kind von einer Situation erzählt (z.B. Streit auf dem Pausenhof oder unter Geschwistern), frage nach: „Wie glaubst du, hat sich der oder die andere dabei gefühlt?“ oder „Was hättest du dir in ihrer Situation gewünscht?“ Spielt das ruhig mal mit verteilten Rollen durch und lasst die Bedürfnisse der anderen dabei nicht außer Acht. So lernt dein Kind, Gefühle bei anderen wahrzunehmen und verschiedene Sichtweisen zu verstehen. Perspektivübernahme und das „Sich-hinein-Versetzen“ in andere sind nachweislich zentrale Motoren für Empathie-Entwicklung. [2]

Tipp 6: “Stark wie ein Baum” Bewegungsübung

Emotionale Intelligenz zeigt sich auch darin, wie Kinder mit innerer Unruhe oder starken Gefühlen umgehen. Bestimmt hast du schon mal gelesen, wie eng Körper und Psyche miteinander verbunden sind. Stärken wir uns im Außen, stärkt das auch unser Innerstes.  Bei dieser kurzen Körperübung stellt sich das Kind aufrecht hin, die Füße fest am Boden – wie die Wurzeln eines Baumes. Dann streckt es die Arme langsam nach oben und stellt sich vor, wie es trotz Sturm und Gewitter stabil bleibt. Auch wenn der Wind noch so stark weht und vielleicht ein paar Äste hin- und herbewegt, bleibt der Baum standhaft und fest verwurzelt. Aufrechte Körperhaltungen und kleine Stärkungsrituale helfen Kindern, Selbstregulation und das Gefühl innerer Stabilität zu entwickeln: Resilienz. Übungen wie diese sind auch präventiv in Angstsituationen hilfreich. [3]

Wir sind nie zu alt oder zu jung, um emotional zu wachsen

Ein tiefes Gespräch am Abend, ein ehrlicher Blick aufs Stimmungsbarometer oder ein gemeinsames Lachen über einen Fehler. Mit jedem dieser Momente wächst emotionale Intelligenz. Wir erfahren nicht bloß mehr über die Gefühle unserer Kinder, sondern entdecken auch neue Seiten an uns selbst. Denn Verständnis, Empathie und Achtsamkeit kennen kein „zu früh“ und kein „zu spät“, sie entstehen immer dann, wenn wir Gefühlen Raum geben. Am Ende zählt nicht, ob jeder Tag perfekt harmonisch läuft, sondern dass wir miteinander im Gespräch bleiben, neugierig sind und gemeinsam lernen.

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Dieser Beitrag stammt von Elena Rieder. Sie fand Yoga mal ein bisschen doof – genau so lange, bis sie es zum ersten Mal selbst ausprobiert hat. Seitdem ist Achtsamkeit ein wichtiger Part in ihrem Leben, der zum Glück auch hervorragend zu ihrer Arbeit beim 6-Minuten Verlag passt.  

[1] https://www.child-encyclopedia.com/emotions/according-experts/emotional-development-childhood

[2] https://www.researchgate.net/publication/301172880_Entwicklung_der_Theory_of_Mind_in_der_Kindheit

[3] Friedrich, M., & Hahlweg, K. (2018). Körperhaltung, Achtsamkeit und Emotionsregulation bei Kindern. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 67(3), 181–196

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Dominik Spenst, Autor & Gründer des 6-Minuten-Verlags